Erregung um Kunstwerk in Dangast längst abgeklungen

SKULPTUR Vor 25 Jahren errichtete der Bildhauer Eckart Grenzer den berühmten Dangaster „Phallus“

DIE EMPÖRUNG SCHLUG DAMALS HOHE WELLEN. HEUTE HAT NIEMAND MEHR ETWAS GEGEN DEN „STEIN DES ANSTOßES“.

VON CARL-FRIEDRICH EHLERS

DANGAST – Ein Steinmetzmeister aus dem Südoldenburgischen ließ damals seiner Empörung in einem Gedicht freien Lauf und stellte fest: „Obszönes und Schlüpfrigkeit prägt besonders unsere Zeit … das Machwerk ist eine Schand‘ für das Oldenburger Land“. Gemeint war der durch den Oldenburger Bildhauer Eckart Grenzer im Sommer 1984 am Strand von Dangast geschaffene Phallus, den er selbst als „Grenz-Stein zwischen Land und Meer“ bezeichnete und der – wie konnte es anders sein – bei den Einwohnern des Badeortes gewaltigen Aufruhr hervorrief

Fast genau heute vor 25 Jahren entfachte die Enthüllung des 320 Zentimeter hohen und 4,5 Tonnen schweren Kunstwerkes weltweit ein gewaltiges Medienecho. Selbst das Heute-Journal nahm sich des Themas an, wobei der Fernseh-Sprecher – dem Zeitgeist gemäß – aber tunlichst die Begriffe Penis oder Phallus vermied.
Die „Bild“ ließ ihre Leser auf der Titelseite mit einem Foto an dem „Skandal in Dangast“ teilhaben.

„Fair berichtet“

Den Zeitungen im Oldenburger Land bescheinigt Grenzer eine „ausgesprochen faire und informative Berichterstattung“. Ob allerdings der Mitarbeiter einer Lokalzeitung aus dem Friesischen bei der Wahl der Überschrift („In aller Munde“)
zu seinem Bericht über den steinernen Penis eine zweideutige Interpretationsmöglichkeit einkalkuliert hatte, ist bis heute ungeklärt.

Bedauert wird von Grenzer im Rückblick, dass vor allem die auswärtigen Journalisten nur selten nach dem Motiv für die Schaffung des Kunstobjektes geforscht hätten. Und das hört sich heute durchaus anrührend an.
Beim Bier in der „Klause“ mit herrlichem Blick auf den Jadebusen erinnert sich der Künstler, dass im Grunde seine Großmutter den Anstoß zu dem umstrittenen Werk gegeben hatte. Mit einem klapprigen Dreirad-Auto war die Familie Grenzer, als Eckart noch ein Kind war, immer wieder von Oldenburg zu Sonntagsausflügen nach Dangast gefahren, wo der kleine Eckart ganz nebenbei das Schwimmen lernte.
Seine Oma habe ihm dabei immer wieder vermittelt, dass – der griechischen Mythologie folgend – das Meer weiblich sei.
So sei bei ihm die Überzeugung entstanden, dass dann das Land männlich sein müsse.

Omas Vermächtnis

Die Großmutter war es auch, die Eckart in frühen Jahren drängte, eine Steinmetzlehre zu beginnen: „Du hast Talent, du hast das Zeug zum Künstler“. Nach Lehrjahren und Meisterprüfung folgte Grenzer dem Ruf und wurde Bildhauer. Als begeisterter Schüler von Joseph Beuys und Anatol schwamm er sich bald frei.
Die Idee, den Phallus in Dangast zu schaffen, sah er als fast zwanghafte Befolgung des großmütterlichen Vermächtnisses. Er wollte das (männliche) Land in Form eines großen Granitsteines mit dem (weiblichen) Meer zusammenbringen.

Bei dem Projekt hatte er kaum Mitwisser – aber in dem damaligen Vorsitzenden des Oldenburger Kunstvereins, Ubbo Francksen, und dem Dangaster „Kurhaus“-Besitzer Karl-August Tapken zwei intensive Förderer.
Verwirklicht werden konnte der Plan ohnehin nur, weil der Phallus auf dem privaten Strand der Tapkens errichtet wurde.

Einen Monat lang werkelte Grenzer an dem Objekt, ohne dass zunächst jemand offiziell wusste, worum es ging. Bis schließlich der damalige Dangaster Kurdirektor Arno Kuhlmann Lunte roch und dem Künstler verbieten wollte, weiterzumachen. Mit Hinweis auf den Privatstrand ließ sich Grenzer nicht beirren und lud nach Fertigstellung des Kunstwerkes zur großen Strand-Party bis in die Morgenstunden ein.

Die Dangaster Kunstpfad-Führerin Ulrike Hinck erinnert sich: „Es war eine supertolle Zeit damals.“ Der heutige Vareler Bürgermeister Gerd-Christian Wagner kann sich erinnern– er war damals 20-jähriger Abiturient: „Es gab einen Aufschrei empörter Bürger, aber auch viel Zustimmung.“ Heute sei der Phallus aus Dangast nicht mehr wegzudenken, sagt Wagner. Verschwände er, gäbe es vermutlich wieder empörtes Aufschreien – nur aus entgegengesetztem Grund.
Kurdirektor Kuhlmann durfte damals immerhin wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass „die Orgie im Watt“ Tausende Neugierige nach Dangast lockte und damit die Umsätze der Geschäftsleute und Gastronomen kräftig stiegen.

Schattenspender

Heute ist der Phallus, der je nach Wetterlage alle zwölf Stunden „seicht und zärtlich“ (Grenzer) oder auch stürmisch vom Meer umspült wird, längst kein Stein des Anstoßes mehr. Kinder tollen fröhlich um das Kunstwerk am Strand herum, als wär’s irgendein ganz normaler Stein. Die Familie Ahlers aus Hude, die wir beim Fototermin zufällig neben dem Grenzstein antreffen, sieht den Stein-Penis ganz pragmatisch:
„Der spendet so wunderbar Schatten“.